Stan Libuda und die glückliche Dreizehn
Immer, wenn mich jemand nach dem Tor in meinen 47 Jahren Bun- desliga und 37 Jahren Volksparkstadion befragt, fällt mir ein Tor sofort ein. Das schönste überhaupt. Es muss direkt dort abgespeichert sein, wo mein Gehirn mit der Torsuche beginnt, gleich in den ersten Bits und Bytes. Es hat zu Recht seinen bevorzugten Platz erhalten.
Torschütze waren nicht Uwe Seeler, nicht Charly Dörfel, Bubi Hönig, Horst Hrubesch und auch nicht Felix Magath. Torschütze war überra- schenderweise gar kein HSV-Spieler. Rein statistisch hätte das eigent- lich so sein sollen. Aber das Fußballfan-Leben geht manchmal eigen- tümliche Wege.
Ich sah in meinem Block F Hunderte von HSV-Treffern und vielleicht waren es zu viele, als dass eines von ihnen heute noch so besonders für mich sein könnte? Nein, das ist es nicht. Das Tor, mein schönstes Tor aller Zeiten, war in seiner ganzen Entstehung und im Abschluss Weltklasse, ein Tor für die Ewigkeit!
Es fiel am 22. Oktober 1969 im Hamburger Volksparkstadion um genau 20 Uhr 58. Ich war sechzehn Jahre alt. Zum Glück war es kein Tor, das gegen den HSV fiel. Vielleicht hätte ich dann doch versucht, es etwas weiter hinten abzuspeichern. Es fiel gegen die Schotten. Gegen an diesem Abend sehr ruppige Schotten. Es ging um viel, um sehr viel. Wir schrieben die 78. Spielminute. Zwischen Deutschland und Schott- land stand es 2:2. Es ging um die Fahrkarte zur Fußball-Weltmeister- schaft 1970 in Mexiko.
Stehplatz im Volkspark-Stadion Hamburg - Westkurve Block L am 22. Oktober 1969 - Weltmeisterschafts- Qualifikationsspiel Deutschland - Schottland 3:2. Von den 6 Mark Eintrittsgeld gingen 10 Pfennige an das Sozialwerk des DFB.
Ich zitiere einen Zeitungsartikel, den ich mir aufbewahrt habe:
Und plötzlich ging Libuda auf und davon ...
78.: Toor! Toor! Das 3:2 durch den Mann, der so heftig umstritten war. Libuda zieht davon. Keiner kann ihm folgen. Graig schafft es nicht mehr. Mit dem linken Fuß knallt Libuda den Ball ins linke obere Eck. Unerreichbar.
Es war ein Bilderbuchtor zum 3:2 Endstand. So ein Tor kann man sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen. Es war fulminant. Ganz unbeschreiblich. Einfach fantastisch. Es war das vollkommene Tor. Libudas 13. Länderspiel war es gewesen. Ich stand in Block L der Westkurve. Jedenfalls besagt das meine Eintrittskarte. Komisch, der Block L war zumindest nach 1973 ein Block der Ostkurve. Egal, Block F wird das verschmerzen können. Bei einem solchen Tor allemal. Dieses Tor kann ich mir wieder und wieder abspielen. Wann immer ich will.
Stan Libuda ist am 25. August 1996 im Alter von 52 Jahren verstorben. Er war ein begnadeter Fußballspieler. Es gibt sehr schöne Seiten im Internet über ihn, über seine Karriere und zu seinem Gedenken. Googeln Sie einmal. Es lohnt sich. Siehe auch das Foto: Stan Libuda † 25. August 1996
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Mexiko