Spielsysteme




Beckenbauer und die Manndeckung für den Libero



Die jüngeren Leser werden sich beim Versuch, den Titel dieses Bei- trages zu verstehen, verzweifelt die Haare raufen. Was könnte nur mit Manndeckung gemeint sein? Und was, bitteschön, soll das mit dem Fußball zu tun haben? Und ist ein Libero vielleicht so etwas wie ein besonders freiheitsliebender Spieler, ein Che Guevara oder Mahatma Gandhi im Fußballdress? Einer, der sich an keine Taktik oder Traineran- weisung hält?

Natürlich nicht! Aber woher sollt Ihr es auch wissen? Ihr habt den Beckenbauer nur als WM-Politiker und vielleicht noch als Teamchef un- serer Nationalelf kennengelernt. Es sei Euch verziehen und erklärt:

Der Libero war ein Spieler der Abwehrreihe (Spielsystem ab Mitte der sechziger bis Mitte der neunziger Jahre). Er agierte in der Regel hinter den drei manndeckenden Verteidigern (linker und rechter Verteidiger sowie Vorstopper). Von der für alle anderen Spieler geltenden festen Zuordnung zu einem ganz bestimmten Gegenspieler war er befreit. Deshalb Libero. Er sprang immer dann und dort ein, wo es brenzlig wurde. Ihr kennt ja heute alle den Staubsauger vor der Abwehr. So müsst ihr Euch auch den Libero vorstellen. Nur eben hinter der Ab- wehr, als letzte Auffangstation vor dem Tor.

Obwohl allgemein das Prinzip der festen Zuordnung galt, der soge- nannten Manndeckung, deckte der Libero keinen Mann, sondern den Raum. Er wurde aber auch selbst nicht in Manndeckung genommen. Warum auch? Der letzte Abwehrspieler, wann sollte der dem Tor schon gefährlich werden?

So war es auch. Fast immer. Mit einer einzigen Ausnahme. Da kommen wir wieder zu dem Franzl, einem der genialsten und zusammen mit Zidane dem elegantesten Spieler aller Zeiten.





Franz Beckenbauer im Nationaltrikot eingerahmt von zwei HSVern, Seeler und Schulz, und dem Braunschweiger Horst Wolter - damals war natürlich noch 'uns Uwe' Mannschafts- kapitän (Länderspiel in Bukarest 22.11.1967 Anstoss 14:00 Uhr Rumänien-Deutschland 1:0) Der Berti ist hinter Libuda und Overath nur halb aufs Bild gekommen.



Beckenbauer lenkte das Spiel seiner Mannschaft von der Liberoposition aus derart effektiv, dass er dem ganzen Spiel seinen Stempel auf- drückte. Meist mit dem Resultat, dass der Gegner leer ausging und die gegnerischen Fans bedröppelt heimzogen.

Eines Tages rieben wir uns in der Westkurve verwundert die Augen. Ein Trainer hatte sich etwas einfallen lassen. Etwas vollkommen Au- ßergewöhnliches. Nach dem Motto, 'Wehret den Anfängen!', ließ er den Beckenbauer ab dessen eigener Strafraumgrenze in Manndeckung neh- men! Das hatte noch niemand versucht! Das grenzte schon am Majes- tätsbeleidigung.

Ich will es kurz machen. Es wurde auch nie wieder versucht! Das Expe- riment scheiterte kläglich. Der Gegenspieler von Kaiser Franz war vor aller Augen der Lächerlichkeit preisgegeben. Überlegene Technik und Spielkultur degradierten ihn zum Statisten. Es war ein einmaliger Ge- nuss, das vom Block F der Westkurve aus miterleben zu dürfen.





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Als es noch richtige Linksaußen gab



"Papa, was ist links?" Was sollte ich meiner achtzehnjährigen Tochter auf diese Frage antworten. Eines weiß ich: Von meinen Werthaltungen, die aus den sechziger und siebziger Jahren stammen, hält sie nicht viel. Früher hielt sie sich die Ohren zu. Heute halte ich lieber meinen Mund.

Was soll ich ihr auch erzählen? Erzählen von etwas Vergangenem? Ich erinnere mich noch gut an meine Jugend, an die nervtötenden Ge- schichten über den Krieg und die schlechten Zeiten. Das wollte ich da- mals ebenso wenig hören.

Ich habe kurz und ohne Engagement geantwortet. Ich bin nicht Don Quijote. Die Zeit ist vorbei. Unwiederbringlich. Wie die gute alte West- kurve. Das Spiel ist verloren.

Fußball ist ein Abbild des Lebens. Auch beim Fußball gibt es keine rich- tigen Linksaußen mehr. Deshalb an dieser Stelle ein dreifach - ach was sag ich - ein vieltausendfaches Hoch auf Charly Dörfel!




Gert 'Charly' Dörfel - Sammelbild mit Autogramm





 Mehr über Charly Dörfel:  Charly Dörfel und das Bundesliga-Logo



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