Sparwasser und der Wolkenbruch
Als ich mein Ticket bekam, dachte ich zuerst: Schade nicht Block F. Ich hatte Block C bekommen und ahnte in dem Moment noch nicht, dass mich das ganz nah an eines der sogenannten Jahrhundert-Tore bringen würde. Für uns in Deutschland war es ein Jahrhundert-Tor.
Weltmeisterschaft 1974 - Volksparkstadion - DDR gegen BRD 1:0
sparsame Preise für eine WM: Stehplatz mit bester Sicht 10 DM, entspricht ca. 5 €
Wir erinnern uns an das Wembley-Tor von Geoff(rey) Hurst im WM- Endspiel 1966 und an die Hand Gottes bei Maradonas Tor 1986 im Aztekenstadion von Mexiko-City. Das Tor, das ich aus der Westkurve live miterleben durfte (eigentlich musste) war leider sehr real, voll- kommen regulär und ziemlich unspektakulär zustandegekommen. Eine unserer damaligen Nationalmannschaften (Ost) spielte gegen die an- dere (West): DDR - BR Deutschland hieß es am 22. Juni 1974 im Hamburger Volksparkstadion. Es lief die Vorrunde der WM 1974.
Das Tor, das jeder kennt, fiel vor der Westkurve und ausgerechnet direkt vor meinem Block C! Da konnten sich Berti Vogts und der Maier Sepp noch so sehr bemühen und dazwischenwerfen. Von Horst-Dieter Höttges (Werder Bremen!) wollen wir an dieser Stelle lieber gar nicht sprechen, der hatte schon 1966 beim Wemley-Tor auf unrühmliche Art und Weise Geschichte mitgeschrieben (wir HSVer hätten ja sowieso nie einen Werderaner in die Nationalelf geholt).
Dieses Mal schrieb sie ein gewisser Herr Sparwasser. Er war mir und fast allen Anhängern unserer westdeutschen Elf bis dato vollkommen unbekannt. Von dieser einen Sekunde an vergaß kein einziger mehr seinen Namen. Auch ich nicht. Das Wort Sparwasser ist seitdem un- trennbar mit diesem einen Tor und mit der 1:0 Niederlage von Höttges, Beckenbauer, Maier, Schwarzenbeck, Breitner, Hoeness, Müller & Co. verbunden (sechs Bayern, ein Werderaner, das konnte nichts werden).
Wenn ich das Wort Sparwasser höre oder lese, versuche ich seitdem immer, mich abzulenken, an etwas anderes zu denken. Das klappt nach jahrelanger Übung mittlerweile ganz passabel. Ich denke an dieselbe WM, an die sintflutartigen Regenfälle vor dem Spiel unserer westdeutschen Elf im Halbfinalspiel gegen Polen. Das war einmalig. Der Himmel hatte im wahrsten Sinne des Wortes seine Schleusen geöffnet. Soviel Wasser auf einem einzigen Fußballplatz hat es wohl nie wieder gegeben. Es wurde trotzdem gespielt und gerutscht. Musste ja. Wir rutschten glücklich ins Endspiel, das wir noch glücklicher gewannen.
Der Fußballgott war damals wirklich alles andere als sparsam umgegan- gen. Nicht mit dem Glück und erst recht nicht mit dem Wasser.
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