Herr Canellas und die italienischen Verhältnisse
Neben der Arminia aus Bielefeld, die nach der Saison 1971/72 aus der Bundesliga ausgeschlossen wurde, galten Rot-Weiß Oberhausen und Kickers Offenbach als die Vereine, die Bestechungsgelder gezahlt hat- ten. Der Chefankläger des DFB, ein Herr Kindermann, hatte die Verge- hen schonungslos aufgeklärt und zur Anklage gebracht. Zehn der 18 Bundesligisten waren verwickelt.
Die Rolle, die die Offenbacher Kickers im Bestechungsskandal spielten, konnte nie so ganz geklärt werden. Am 6. Juni 1971, einen Tag nach Beendigung der Saison, brachte ihr damaliger Präsident Canellas († 23. Juli 1999) den Stein der Enthüllungen ins Rollen. Was wäre wohl gewesen, wenn Offenbach die Saison nicht auf einem Abstiegsplatz beendet und Herr Canellas nicht ausgepackt hätte? Wäre dann nie etwas ans Tageslicht gekommen? Hätten wir dann heute italienische Verhältnisse?
Programmheft 28. Oktober 1970: Hamburger SV - Offenbacher Kickers. Das Flutlichtspiel endete 3:2. Es fand vor nur 7.000 Zuschauern statt.
Innerhalb von zwei Jahren wandten sich die Zuschauer in Scharen von der Bundesliga ab. Der Zuschauerschnitt fiel in der Saison 1972/73 auf nur noch 16.387! Da waren die Spitzenspiele mit eingerechnet. Man kann sich leicht ausrechnen, dass zu mehr als der Hälfte der Spiele noch sehr viel weniger als 15.000 Zuschauer kamen. Die Begegnung Rot-Weiß Oberhausen gegen Kickers Offenbach wurde 1973 von nur 1.352 zahlenden Zuschauern besucht.
Viele Vereine standen vor dem wirtschaftlichen Aus. Die Braunschwei- ger Eintracht, im Skandal ebenfalls arg gebeutelt (ihr Kapitän Ulsass wurde für eineinhalb Jahre gesperrt) erschloß sich und der Bundesliga eine neue Einnahmequelle. Nach einem monatelangen Tauziehen mit dem DFB prangte auf den Trikots ihrer Spieler ab März 1973 der Jägermeister-Hirsch. Der HSV folgte kurze Zeit später mit CAMPARI.
Die Fußballweltmeisterschaft 1974 im eigenen Land und der Titelgewinn der deutschen Mannschaft waren ein Segen für die Bundesliga. Die Euphorie half, Gras über die Vergangenheit wachsen zu lassen, und sorgte für einen neuen Aufschwung.
Auch der sportliche Aufschwung des HSV setzte 1974 ein. Er steigerte sich langsam aber stetig bis zum großen Finale 1983. Während wir in den zehn Jahren zuvor durchschnittlich Platz 10 erreicht hatten, sollten wir die nächsten zehn Bundesliga-Spielzeiten im Durchschnitt mit dem dritten Platz beenden und drei Mal Deutscher Meister werden.
Wir haben uns in den mageren Jahren im Block F der Westkurve schon manches Mal recht einsam gefühlt. Aber wir haben durchge- halten. Wie heißt es so schön: In guten wie in schlechten Zeiten. Wir brauchten es auch nicht zu bereuen. Unser HSV war zum Glück nicht in die Bestechungsaffäre verwickelt!
Siehe auch: Der 12.09.1970 und der Bestechungsskandal
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