Entschuldigt fremdgegangen
Es muss in der tristen Zeit, der 60er Jahre gewesen sein. Trist des- halb, weil die Leistungen der Mannschaft so waren. Erste Bundesliga, aber der HSV nicht mehr als durchschnittlich.
Da passte es ins Bild, dass auch das Wetter sich der Gesamtsituation häufiger einmal anpasste. Rasenheizung gab es noch nicht, überdachte Stehplätze auch nicht. Und selbst die überdachte Haupttribüne war bei steifer Brise und Regenschauern kein angenehmer Platz und bei Süd- westwind auch kein garantiert trockener Aufenthaltsort.
Ich erinnere mich immer wieder an das Spiel mit dem chaotischsten Wetter meiner Fanlaufbahn. Wir spielten gegen den 1. FC Kaiserslau- tern. Vom Spiel selbst weiß ich nichts mehr. Ist alles davongespült. Schon auf dem Anmarschweg goss es dermaßen in Strömen, dass ich mich hier und dort unterstellen musste. Doch es wollte nicht aufhören. Mit lieber Müh und Not schaffte ich es bis ins Volksparkstadion. Kurz vor dem Anpfiff war ich da bereits völlig durchnässt. Aber ich befand mich nicht in meiner geliebten Westkurve. Dazu hätte ich noch einmal halb um das Stadion laufen müssen.
So entschied ich mich wohl oder übel (mehr übel) für einen Platz in der Ostkurve, mitten unter den Lauterer Anhängern. Aber so sehr viele waren auch von denen nicht erschienen. Insgesamt waren es kaum mehr als 11.000 bis 13.000 Zuschauer gewesen. Ich hatte Erfahrung im schätzen der Zuschauerzahl und lag selten um mehr als 2.000 bis 3.000 daneben. Das machte die jahrelange Übung.
Das Wetter versuchte uns schon einmal, einen Strich durch die Rechnung zu machen. Nicht dass wir uns davon beeindrucken ließen, es sei denn, das Spiel wurde abgesetzt. Von Spielabsagen am häufigsten betroffen waren Jahr für Jahr die Spiele im Februar.
Jeden einzelnen Spieler aller Teams erkannte ich schon an der Laufhal- tung, am ganzen Bewegungsablauf. Da mochte es noch so sehr Bind- fäden regnen. Die Rückennummern, die früher sowieso sehr viel kleiner waren, brauchte ich nicht. Durch intensivste Beschäftigung mit den Themen Fußball im Allgemeinen und Bundesliga im Speziellen kannte ich alle Teams, alle Spieler und alle Namen auswendig. Die Spieler wech- selten auch nicht so oft den Verein wie heutzutage. Das junge Gehirn ist bei interessengeleiteter Wahrnehmung zudem erstaunlich aufnah- mefähig. Unterstützt wurde es durch das tägliche Studium hunderter Bundesliga-Sammelbilder, von denen Ihr auf meiner Site einige sogar mit Autogramm bewundern könnt.
Es stimmt, ich will nur davon ablenken, dass ich an diesem Tag fremd- ging, meiner geliebten Westkurve und dem Block F untreu wurde. Ich meine noch heute, dass ich eine gute Entschuldigung hatte. Es goss unentwegt bis zum Spielende und selbst auf dem Nachhauseweg.
Ich habe es meinem Block F nicht gebeichtet und heute ist es zu spät. Die Westkurve mitsamt Block F ist für immer von uns gegangen.
Siehe auch: Flutlicht und Schneegestöber
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