Kaiser Franz für eine Mark und die Platzangst



Es war ein Mittwochabend gewesen. Der 20. Oktober 1965. Das Spiel begann um 20.00 Uhr. Ich war damals genau 12 Jahre 8 Monate und 2 Tage alt.

Ein für mich denkwürdiges Spiel begann. Ich wurde Augenzeuge einer Fußballdemonstration. Man hatte sich viel erzählt von der Wunderelf aus München. Zusammen mit den Gladbacher Borussen spielten sie seit zwei Monaten in der Bundesliga. Beide Mannschaften sollten sich als beste Aufsteiger aller Zeiten erweisen. Die Gladbacher hatten wir einen Monat zuvor mit 5:0 geschlagen, aber dem heutigen Gegner eilte ein sagenumwogener Ruf voraus. 71000 wollten den Aufsteiger sehen. Alle wurden sie Zeugen einer 0:4 Niederlage gegen den Neuling, gegen BAYERN MÜNCHEN! Ich erinnere mich noch sehr genau. Allerdings weniger an die Details des Spiels, als vielmehr an das Verlassen des Stadions und an den Auftritt eines einzelnen Spielers.




Eintrittskarte vom Spiel HSV-Bayern München 0:4 (0:2) am 20. Oktober 1965. Das Spiel begann um 20 Uhr und nicht um 16 Uhr, wie es auf der Eintrittskarte steht. Für Maier, Beckenbauer, Müller und Trainer Tschik Cajkovski († 28. Juli 1998) war es seit ihrem Aufstieg erst das neunte Bundesligaspiel. Es war noch die alte Blockeinteilung. Ich weiß genau, dass ich im späteren Block A oder B stand.



Das Spiel war ausverkauft. Nach Spielende hatte niemand Interesse daran, länger als notwendig auszuharren, zu ernüchternd waren Spiel- verlauf und Ergebnis für die HSV-Anhänger gewesen. Statt dem größ- ten Gedränge zu entgehen und noch einige Minuten zu warten, mach- ten also auch wir uns umgehend auf den Weg. Es war kurz vor 22 Uhr und ich musste am nächsten Morgen früh zur Schule.

Die zwanzig Stufen hinauf waren noch kein Problem. Es ging nur lang- sam und zentimeterweise voran, aber es wurde zunehmend enger. Oben am Scheitelpunkt der Westkurve waren es nur wenige Meter bis zur Treppe, die steil nach unten führte, von der aber nichts zu sehen, allenfalls etwas zu erahnen war. Überall dicht gedrängt Köpfe und Men- schenleiber.

Die Arme wurden mir an den Körper gepresst. Es schob von hinten, drückte von vorn und drängte von recht und links. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich wurde bewegt. Das war wahrlich nichts für Leute mit Platzangst. Und die kritische Treppe stand mir noch bevor. Einer- seits wollte jeder kleine Tippelschritt wohl überlegt sein, andererseits hatte ich keinerlei Kontrolle über mein Fortkommen. Mal drückte es mich im Gewoge zwanzig Zentimeter nach hinten oder zur Seite, mal ganz plötzlich schnell und unerwartet einen halben Meter voran.

Würde ich die Treppen richtig erwischen? Ich konnte stolpern, mir den Knöchel verstauchen, umfallen konnte ich nicht. Dazu war ich zu ein- gekeilt. Angst hatte ich trotzdem. Ich hatte auch keine Lust, zu arg gegen das Treppengeländer gedrückt zu werden. Ich kann nicht mehr sagen, wie ich hinuntergekommen bin. Im Pulk, offenbar unversehrt und darüber heilfroh.

Ich besuchte noch viele Spiele des HSV gegen die Bayern. Denn ich hatte an diesem Abend einen Spieler gesehen, der herausragte und mein absoluter Lieblingsspieler wurde. Einen Spieler, den ich auf eine Stufe mit Pelé, Maradona und Zidane stelle: Franz Beckenbauer! Der Größte unter allen Spielern in 44 Jahren Bundesliga!

Ich war mit Haut und Haaren HSVer und ich werde es immer bleiben. Also waren mir die Bayern vollkommen unsympathisch. Aber der genia- le Beckenbauer, der stand für mich seit jenem Abend über allen und allem. Jenseits jeder Vereinszugehörigkeit. Den Genuss, Beckenbauer spielen, ihn Fußball zelebrieren zu sehen, den habe ich mir all die Jahre nie nehmen lassen. Um so schöner, wenn die Eintrittskarte, wie an diesem Abend, nur eine Mark, also umgerechnet 50 Cent, kostete.




  Mannschaftsaustellungen zum Spiel HSV - Bayern 20.10.1965
  Beckenbauer und die Manndeckung für den Libero
  Beckenbauer und der Tempel der Morgenröte



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